Hintergrundwissen zur Physica der Hildegard von Bingen

Die `Physica´-eine Naturkunde?

Entgegen der weit verbreiteten Meinung handelt es sich bei der ‘Physica’ der Hildegard von Bingen nicht um eine Beschreibung der Natur. Der Begriff ‘Naturkunde’, unter dem das Werk noch immer sehr bekannt ist und der auf die ältere Übersetzung von Peter Riethe zurückgeht, ist etwas irreführend. Tatsächlich findet sich in der ‘Physica’ nur wenig von dem, was wir beim Lesen in einem Naturkunde-Buch erwarten:

  • Hildegard nennt keine Erkennungsmerkmale der Pflanzen, sie beschreibt weder ihre Gestalt, noch Form und Farbe der Blüten als auffälligste Bestimmungsmerkmale der Pflanzen. Es finden sich auch kaum Hinweise auf Ähnlichkeiten und Verwechslungsmöglichkeiten der Arten. Das sichere Erkennen der verschiedenen Pflanzen ist Voraussetzung für die Beschäftigung mit der ‘Physica’.
  • Hildegard nennt weder die Standorte, noch die Lebensräume, an denen die unterschiedlichen Pflanzen zu finden sind. So erfährt der Leser nichts über die Vorliebe einzelner Arten für trockene oder feuchte, für besonnte oder beschattete Plätze. Und ob die Pflanzen beispielsweise im Wald, auf Heiden oder in Gärten zu finden sind bleibt ebenfalls unerwähnt.
  • Die Liste der von Hildegard beschriebenen Pflanzen ist unvollständig, auch wenn man nur die nähere Umgebung ihrer Wirkungsstätten als Bezug nimmt. Selbst unter der berechtigten Voraussetzung, dass die Kenntnis der heimischen Flora vor 850 Jahren ungleich geringer war als heute, vermisst man einige Arten, die auch damals mit Sicherheit bekannt und häufig zu finden waren. So gibt es beispielsweise keine Erwähnung von Gänseblümchen, Margerite, Busch-Windröschen, Heidekraut und Vogelbeere. Auch Pflanzen, die zu jener Zeit als Wildgemüse und Salate sicherlich eine große Rolle spielten, wie Knoblauchsrauke, Giersch oder Bärenklau, werden nicht genannt. Viele besonders auffällige Arten, zum Beispiel die Orchideen, die parasitisch lebenden Sommerwurz-Arten oder die Küchenschelle bleiben unerwähnt. Völlig unberücksichtigt sind die zahlreichen Wildgräser. Selbst einige wichtige Heilpflanzen wie Fingerhut, Frauenmantel und - besonders erwähnenswert - Kamille fehlen in der Liste der von Hildegard genannten Pflanzen.

Es war sicherlich nicht die Absicht der Äbtissin vom Rupertsberg, eine Flora ihrer Heimat zu verfassen. Zweifelsfrei kannte die gebildete Frau viel mehr Pflanzen als jene, die sie beschrieben hat. Allerdings ist sie die erste bekannte Deutsche, die überhaupt so zahlreiche Pflanzenarten erwähnt hat - fast vierhundert Jahre bevor durch Otto Brunfels, Hieronymus Bock und Leonhart Fuchs die ‘moderne’ Pflanzenkunde in Deutschland begründet wurde. Dies allein rechtfertigt bereits die intensivere Beschäftigung mit der ‘Naturkunde’ der Hildegard von Bingen.
 

Wie Hildegard die Pflanzen beschreibt

Der erste Blick in die ‘Physica’ endet für die meisten Interessierten in großem Staunen.
Wo man eine Beschreibung des Aussehens der Pflanze erwartet, liest man von der warmen oder kalten, der trockenen oder feuchten Pflanze. Diese in jedem Kapitel im ersten Satz genannte Eigenschaft bezieht sich auf die Wirkung der Pflanze auf die - nach damaliger Auffassung die Gesundheit des Menschen bestimmenden - vier verschiedenen Grundqualitäten des Körpersaftes des Menschen (s. ‘Gesundheits- und Krankheitsverständnis im Mittelalter’).
Die weitere Beschreibung richtet sich im Allgemeinen nach den Verwendungsmöglichkeiten der Pflanze oder bestimmter Teile zu Heilzwecken. Hier werden in oft sehr bildhafter Sprache die unterschiedlichen Anwendungen aufgeführt. Nur bei wenigen Pflanzen finden sich Hinweise zu weiteren Nutzungsmöglichkeiten, obwohl diese zur damaligen Zeit mitunter eine sehr bedeutende Rolle spielten. Selbst eine seinerzeit so bedeutsame Eigenschaft wie Essbarkeit findet nur am Rande Erwähnung. Auch besondere Eignungen der Pflanzen als Rohstoff kommen, wenn überhaupt, lediglich als Hinweis ohne weitere Ausführungen vor.
Die Bäume und Sträucher, die in einem gesonderten Buch, dem Dritten Buch: ‘Von den Bäumen’ abgehandelt werden, weichen von diesem Grundschema etwas ab. Hier ist meist zwischen der Schilderung der Wirkung auf den Zustand des Körpersaftes und die Beschreibung der Heilwirkung eine Charaktereigenschaft des Gehölzes eingefügt, die in keinem offensichtlichen Zusammenhang mit seinen sonstigen Attributen steht. So bezeichnet die Rose die Zuneigung, die Linde die Zerbrechlichkeit und die Buche die Zucht. Diese Charaktereigenschaften sind Zeichen der besonderen mythologischen Bedeutung, die den Gehölzen im Mittelalter zukam.

Woher Hildegards Wissen stammt

Es spricht sehr viel dafür, dass das natur- und heilkundliche Wissen der Hildegard von Bingen keinen visionären Ursprung hat, sondern dass es auf Erkenntnis, Erfahrung und Überlieferung beruht und sich somit grundlegend vom theologisch-kosmologischen Werk der Volksheiligen unterscheidet.
Die Klöster waren zu Hildegards Zeiten die Orte, an denen traditionell Heilkunde praktiziert und das zugehörige Wissen weitergegeben wurde. Die Klöster sicherten die medizinische Versorgung der Ordensleute und der Bevölkerung, in den Klostergärten wurden Heilpflanzen kultiviert.
Die Beschreibung der Heilwirkung der Pflanzen und der sonstigen Naturgebilde zeigt, dass Hildegard mit der überlieferten medizinischen Theorie und dem Heilwissen der Antike vertraut war. Vieles von dem, was die Äbtissin schreibt, findet sich bereits in den medizinischen Werken des Altertums und des frühen Mittelalters.
Darüber hinaus umfasst die Kenntnis Hildegards auch Aspekte der Volksmedizin, die keine Entsprechung im medizinischen Schrifttum der Antike und des Mittelalters haben. Dies betrifft insbesondere Pflanzen des mitteleuropäischen Raumes, die von der in den Jahrhunderten vor Hildegard von Griechen, Römern und Arabern vorangetriebenen medizinischen Forschung nicht erfasst wurden. Speziell Aussagen zur Anwendung pflanzlicher Mittel gegen böse Geister und Dämonen sind auf Ursprünge in Volksmedizin und Glaube zurückzuführen.
Schließlich sind in der `Physica’ zweifelsfrei auch eigene Erkenntnisse und Erfahrungen aus der täglichen medizinischen Praxis des Klosterlebens eingearbeitet.
Das Hildegard von Bingen zugeschriebene heilkundliche Werk ist somit vermutlich eine Zusammenstellung des Mitte des 12. Jahrhunderts vorhandenen Wissens auf diesem Gebiet.

Gesundheits- und Krankheitsverständnis im Mittelalter

Das im Mittelalter vorherrschende Verständnis von Gesundheit und Krankheit des menschlichen Körpers basiert im Wesentlichen auf der im zweiten Jahrhundert nach Christus verfassten Humorallehre (‘Säftelehre’) des Galenos aus Pergamon. Dieser bedeutende römische Arzt erklärt den Gesundheitszustand des Menschen aus dem Zusammenwirken seiner vier Körpersäfte. Befinden sich Schleim, Blut, schwarze und gelbe Galle im richtigen Verhältnis, ist der Mensch gesund. Zugleich bestimmt die relative Menge dieser vier Körpersäfte zueinander den Charaktertyp des Menschen. Krankheit entsteht durch eine ungünstige Verschiebung des Säfteverhältnisses.

Bei Hildegard treten an die Stelle der vier verschiedenen Körpersäfte vier unterschiedliche Grundqualitäten des maßgeblichen Körpersaftes, des Schleims. Er kann trocken oder feucht und zugleich warm oder kalt sein. Das Übermaß einer Eigenschaft wird durch eine entgegengesetzt wirkende Heilpflanze behandelt; warme Pflanzen helfen bei zu kaltem Schleim, feuchte Pflanzen bei zu trockenem Körpersaft.

Wesentlich ist für die Heilung des Menschen laut Hildegard jedoch auch stets die richtige Einstellung zu Gott, da jede Krankheit neben einer körperlichen auch eine seelische Komponente hat. Für Hildegard von Bingen sind Heilkunde und Heilskunde somit aufs engste verknüpft - ein theologischer und medizinischer Ansatz, der erst wieder in unseren Tagen aufgegriffen wurde.

Quellenlage

Herkunft und Entstehungsgeschichte des naturkundlichen Werks der Hildegard von Bingen sind, trotz intensiver Forschung, noch immer weitgehend ungeklärt. Während von ihren drei großen visionären Werken, ‘Wisse die Wege’ (Scivias), ‘Buch der Lebensverdienste’ (Liber vitae meritorum) und ‘Buch der Gotteswerke’ (Liber divinorum operum), zeitgenössische Abschriften überliefert sind und die Urheberschaft der Äbtissin zweifelsfrei ist, ist die Quellenlage des natur- und heilkundlichen Werkes weniger eindeutig.
Hildegard selbst verweist in der Einleitung des Buches der Gotteswerke darauf, dass ihr in einer `Schauung‘ das innere Wesen der verschiedenen Naturen der Geschöpfe’ (subtilitates diversarum naturarum creaturarum) vermittelt wurde. Dieses Wissen wurde vermutlich in einem einzigen Werk, dem ‘Buch vom inneren Wesen der verschiedenen Naturen der Geschöpfe’ (Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum), niedergeschrieben. Diese Handschrift ist jedoch verschollen.
Vermutlich wurde das Buch bereits bald nach der Entstehung geteilt. Bereits etwa 50 Jahre nach dem Tod Hildegards wurde 1233 im Rahmen des Heiligsprechungsverfahrens bei einer Auflistung ihrer Werke von zwei Büchern berichtet: dem ‘Buch der einfachen Medizin’ (Liber simplicis medicinae) und dem ‘Buch der zusammengesetzten Medizin’ (Liber compositae medicinae). Das erste ist heute unter dem Namen ‘Physica’ bekannt und wird entweder mit ‘Naturkunde’ oder mit ‘Heilkraft der Natur’ übersetzt. In ihm werden die verschiedenen Lebewesen, die Elemente und Metalle in ihrer Heilwirkung beschrieben. Das zweite, ‘Causae et Curae’ (Heilwissen), beschäftigt sich mit der Ursache und Entstehung von Krankheiten und mit ihrer Behandlung durch das Zusammenwirken der verschiedenen Geschöpfe.
Die ältesten überlieferten Abschriften dieser beiden Werke stammen erst aus dem 13. bis 15. Jahrhundert. Welche der darin enthaltenen Kapitel originär von Hildegard von Bingen stammen und was nachträglich abgeändert, ergänzt oder weggelassen wurde ist nach wie vor ungeklärt.

Probleme im Umgang

Die Beschäftigung mit der ‘Physica’ bereitet etwa 850 Jahre nach ihrer Entstehung erhebliche Schwierigkeiten, obwohl zwischenzeitlich deutsche Übersetzungen des in lateinischer Sprache verfassten Werkes vorliegen.

Die Benennung vieler Pflanzenarten ist nicht eindeutig. Die Bezeichnung der Arten entsprechend der ‘binären Nomenklatur’, die sich an den verwandtschaftlichen Beziehungen der Organismen orientiert und nach der wir uns heute richten, wurde erst 1753, etwa 600 Jahre nach der Entstehung der ‘Physica’, von Carl von Linée eingeführt. Die von Hildegard teils in lateinischer, teils in althochdeutscher Sprache benannten Namen der Pflanzen lassen sich heute nicht immer mit einer bestimmten Art (oder einer Gruppe nah verwandter Arten) in Übereinstimmung bringen. So finden sich teilweise Namen, die im Mittelalter für verschiedene Pflanzen gebräuchlich waren. Erschwert wird die Zuordnung konkreter Pflanzenarten zu den einzelnen Kapiteln des Werkes auch durch das Fehlen einer Beschreibung der wichtigsten Erkennungsmerkmale.

Auch die Übertragung der anwendungsbezogenen Aussagen Hildegards verursacht Schwierigkeiten, da Krankheiten mit ähnlichen Krankheitsbildern oftmals nicht unterschieden wurden. So wird in Hildegards heilkundlichen Werken der Begriff ‘Gicht’ generell für alle schmerzhaften Erkrankungen der Gelenke und des Knochensystems verwandt, obwohl diese mitunter sehr verschiedene Ursachen haben.

Landschaft und Landnutzung zu Hildegards Zeiten

Vor 900 Jahren waren die meisten Ortschaften im Binger Raum bereits gegründet. Die tiefergelegenen, klimatisch begünstigten Bereiche des Binger Raumes außerhalb der Flussauen unterlagen größtenteils der landwirtschaftlichen Nutzung. In Siedlungsnähe lagen die Ackerflächen, auf denen Dreifelderwirtschaft betrieben wurde. Turnusmäßig wechselten sich Winterfrucht - in den Tieflagen vor allem Weizen, in den höheren Lagen Roggen - Sommerfrucht und Brache ab. Daneben wurden Flachs und Hanf als Faserpflanzen sowie, in geringem Umfang, Rüben angebaut. Die Ackerflur war locker mit Obstbäumen überstellt. Bei der Bewirtschaftung wurden als Zugtiere überwiegend Ochsen eingesetzt. Sonnenexponierte Hänge waren in Ortsnähe mit Weinreben bestockt. An den Ortsrändern befanden sich Gärten, in denen Gemüse, Salat, Hülsenfrüchte, Heil- und Würzpflanzen kultiviert wurden.
Die Viehhaltung erfolgte größtenteils auf den Weideflächen, die winterliche Stallhaltung breitete sich erst langsam aus. Wichtigster Fleischlieferant waren die Schweine, die zur Mast in die Wälder getrieben wurden. Rinder weideten auf den ortsfernen Wiesenflächen, sehr begehrt war ihr Mist als wertvollster Dünger im Acker- und Weinbau. Mit Ziegen, den wichtigsten Milchlieferanten seinerzeit, wurden die trockenen, kargen Felshänge der Flusstäler beweidet. Kleine Schafherden, die in Standweide gehalten wurden, dienten vor allem der Wollgewinnung. Gemischte Herden beweideten auch die Brachflächen und die Stoppelfelder. Heuwiesen zur Gewinnung von Winterfutter waren noch eine Seltenheit. In den Ortschaften liefen Hühner und Gänse umher, die Eier und Fleisch lieferten.
Am Hunsrückrand war zu Hildegards Zeiten der Waldanteil höher als heute, hier waren die Hochflächen erst teilweise gerodet und nutzbar gemacht. Der Wald war nicht nur Quelle für Bau- und Brennholz, hier weideten auch die unterschiedlichen Nutztiere den Unterwuchs ab. Von den Ortschaften führten die Viehtriften bis tief in den Binger Wald. Hier wurde auch Schiffelwirtschaft betrieben, ein kombinierter Wald-Feldbau, bei dem nach dem Fällen der Bäume auf der entstandenen Lichtung einige Jahre Getreide angebaut wurde. Anschließend dienten die Flächen der Weide, bis sich der Wald die Flur langsam wieder zurückerobert hatte. Laubstreu und geschnittene Äste lieferten wichtiges Winterfutter für die Tiere. Die Niederwaldbewirtschaftung steckte noch in ihren Anfängen, sie diente der Brennholz- und der Lohegewinnung. Auch die Köhlerei war noch relativ unbedeutend. Neben der Jagd war auch die Zeidlerei, die Imkerei mit Wildbienen, eine bedeutende Nutzungsform des Waldes.
Rhein und Nahe waren noch in ihrem ursprünglichen Zustand und oberhalb von Bingen von Auewäldern gesäumt.

‘Hildegard-Pflanzen’ - eine Statistik

Die beiden in der ‘Physica’ der Hildegard von Bingen enthaltenen Bücher ‘Von den Pflanzen’ und ‘Von den Bäumen’ beinhalten insgesamt 293 Kapitel mit Pflanzenbeschreibungen. Bei insgesamt 20 Kapiteln handelt es sich um Doppel- oder Mehrfachnennungen. 16 der beschriebenen Objekte sind keine Pflanzen, sondern Lebensmittel (wie Honig, Milch, Zucker) oder sonstige Stoffe (bspw. Pech).
Von den somit verbleibenden 257 Kapiteln sind 32 nicht eindeutig einer bestimmten Pflanze zuordenbar, weitere 2 befassen sich mit Niederen Pflanzen (Flechte, Pilz). Somit verbleiben 223 Blüten- und Farnpflanzen, über die Hildegard in ihrer ‘Naturkunde’ schreibt.
Von diesen 223 Pflanzenarten kommen 115 wildwachsend in Bingen und der weiteren Umgebung vor - im Nahegebiet und in Rheinhessen, im Hunsrück, am Mittelrhein und im Taunus. Dies sind die Landschaften, die Hildegard in einem Tagesmarsch von ihren Wirkungsstätten aus erreichen konnte. Zum Vergleich: es gibt in diesem Gebiet etwa 1200 Pflanzenarten. Weitere 25 Pflanzenarten wurden zur damaligen Zeit als Kulturpflanzen angebaut, 52 Arten in Kloster-, Burg- und Bauerngärten kultiviert.
Die restlichen 31 Pflanzenarten sind vermutlich nie an Rhein und Nahe gewachsen, weder wild noch angepflanzt.

Grünkraft

Grünkraft - viriditas - ist ein zentraler Begriff in der Natur- und Heillehre der Hildegard von Bingen. Dieser abstrakte Begriff umschreibt das ordnende Prinzip, das allem Lebendigen zugrunde liegt. Die Grünkraft ist ein imaginäres Band, das Gott mit seiner Schöpfung verbindet. Diese Kraft, die jedem Tier, jeder Pflanze und jedem Menschen, aber auch den Elementen innewohnt, bringt Gesundheit und Genesung; sie ist die Voraussetzung für die Selbsterhaltung der Natur. Für den Menschen bedeutet ‘viriditas’ Freude am Leben, in dieser Freude lässt sie ihn das Leben im Einklang mit Gott und der Schöpfung anstreben.
Die symbolische Bedeutung der Farbe Grün beruht auf der Fähigkeit des Blattgrüns, tote Materie mit Hilfe der Energie des Sonnenlichtes in organische Stoffe zu verwandeln. Dass dieser Vorgang die wesentliche Voraussetzung für das Leben auf der Erde ist, scheint Hildegard bereits erkannt zu haben, obwohl sie von den physiologischen Grundlagen dieses komplizierten biochemischen Prozesses noch nichts wissen konnte.

Literatur

Natur- und heilkundliche Werke der Hildegard

Hildegard v. Bingen: Heilkraft der Natur - ‘Physica’. Rezepte und Ratschläge für ein gesundes Leben. Übersetzt von M.-L. Portmann. Freiburg, Basel, Wien, 1991.

Hildegard v. Bingen: Heilwissen. Von den Ursachen und der Behandlung von Krankheiten. Übersetzt von M. Pawlik. Freiburg, Basel, Wien, 1990.

Hildegard v. Bingen: Naturkunde. Das Buch von dem inneren Wesen der verschiedenen Naturen in der Schöpfung. Übersetzt von P. Riethe. Salzburg, 1959.


Erläuterungen zu den natur- und heilkundlichen Werken der Hildegard

Forster, E. (Hrsg.):  Hildegard von Bingen. Prophetin durch die Zeiten. Zum 900. Geburtstag. Freiburg i. Br., 1997.

Geisenheyner, L.: Über die Physica der heiligen Hildegard von Bingen und die in ihr enthaltene älteste Naturgeschichte des Nahegaues. Verhandlungen des Natur­historischen Vereins der Preussischen Rheinlande und Westfalens, Abteilung E, Bonn, 1912, 49-72.

Haase-Hauptmann, E.: Die Heilkräuter der Hildegard von Bingen. Ausgewählte Kräuter für Hausapotheke und Küche. Anbau, Pflege und Verwendung. München, 1997.

Müller, I.: Die pflanzlichen Heilmittel bei Hildegard von Bingen. Heilwissen aus der Klostermedizin. Salzburg, 1982.


Zur Pflanzenwelt des Rhein-Nahe-Gebietes

Blaufuss, A. & Reichert, H.: Die Flora des Nahegebietes und Rheinhessens. - Pollichia-Buch 26. Bad Dürkheim, 1992.